Cultures of Thinking
Schulentwicklung Unterrichtsmethoden Entwicklung Schulkultur Angebot

Über die Veränderung der einzelnen Unterrichtsstunden hinaus besteht ein weiterer Ansatz von Cultures of Thinking darin, Schulkultur insgesamt hin zu einer Kultur zu verändern, in der Denken innerhalb und außerhalb des Klassenzimmers unabhängig gepflegt und entwickelt wird.

Innerhalb dieses Ansatzes werden acht Veränderungsebenen identifiziert, durch die Cultures of Thinking die Schulkultur verändert:

  1. Erwartungshorizonte aufbauen
  2. Sprachverwendung reflektieren
  3. Zeit schaffen
  4. Vorbildfunktionen spiegeln
  5. Gelegenheiten erkennen
  6. Gewohnheiten etablieren
  7. Interaktion gestalten
  8. Umgebung einrichten

Im Weiteren finden Sie weitere Informationen zu den acht Ebenen.

Erwartungshorizonte

In der wichtigsten Dimension der Erwartungshorizonte wird an den Erwartungen gearbeitet, die wir an uns und andere haben. Wir gehen davon aus, dass es vor allem unsere (impliziten und expliziten) Erwartungen sind, die unsere Kultur definieren. Wenn wir uns über diese Erwartungen klar werden und sie aktiv beeinflussen, können wir darüber auch nachhaltig unsere Kultur verändern. Im Folgenden einige Ansätze, über die in Cultures of Thinking Erwartungshorizonte evaluiert und verändert werden:

  • Lernen steht im Zentrum, nicht Arbeit erledigen
  • Verstehen steht im Zentrum, nicht Wissenserwerb
  • Tiefenverstehen steht im Zentrum, nicht oberflächliches Auswendiglernen
  • Unabhängiges Arbeiten steht im Zentrum, nicht abhängiges Lernen in Mustern

Sprachverwendung

Bei der Veränderung von Sprachverwendung geht es darum, Sprache als etwas zu erkennen, das unserem Denken folgt, es ausdrückt; und als etwas, das unsere Handlungen bestimmmt und erklärt. Kultur lässt sich durch die Reflexion auf Sprachverwendung verändern, indem wir dadurch die Wahrnehmung anderer auf uns lenken und unsere Handlungen so kommentieren, wie sie intendiert sind. Cultures of Thinking konzentrier sich auf folgende Arten der Sprachverwendung, um Kultur zu verändern:

  • Reflexion darauf, wie Sprache Denken fördert oder überhaupt ermöglicht
  • Reflexion darauf, wie durch Sprache Gemeinschaft entwickelt und gefördert wird
  • Reflexion darauf, wie durch Sprache Identität entsteht und gestärkt wird
  • Reflexion darauf, wie durch Sprache andere in die Lage versetzt werden, aktiv Handelnde zu werden
  • Reflexion darauf, wie Sprache uns befähigt, unserer selbst und anderer bewusster zu werden
  • Reflexion darauf, wie Sprache im Gespräch eingesetzt werden kann, um Erreichtes anzuerkennen
  • Reflexion darauf, wie Sprache hilft, zum Zuhören aufzufordern und dieses zu betonen

Zeit schaffen

Eine der häufigsten Phänomene im Schulalltag ist der Eindruck, dass nie genug Zeit da ist, dass man immer hinterherrennt, einem Lernziel, dem Ende der Einheit, der Vorbereitung eines Tests ... Cultures of Thinking geht davon aus, dass dies in den meisten Fällen daran liegt, dass Prioritäten nicht klar sind - oder dass es ein Nebeneinander von Prioritäten gibt, die sich gegenseitig im Weg stehen. Zeit schaffen lässt sich dann, wenn für das eigene Unterrichten, den Schulalltag die Prioritäten geklärt sind. Auf dem Weg dorthin helfen folgende Ansätze:

  • Wir sollten Zeit mit dem verbringen, was uns wichtig ist. An der Art und Weise unserer Zeiteinteilung sollten sich unsere Werte ablesen lassen.
  • Eine klare Priorität unterrichten - mit Lernen als oberstem Ziel
  • Zeit für Denken bereitstellen, auch wenn es schwer fällt, weil es so viel Zeit braucht ...
  • Das Risiko eingehen, viel Zeit für das Richtige zu investieren - weil es Zeit sparen wird.
  • Der Falle entgegenarbeiten, Stress mit Zeitknappheit zu verwechseln
  • Immer wieder Raum für Reflexion schaffen, um die Verwendung von Zeit zu evaluieren und zu kallibrieren

Vorbildfunktion

Als Lehrende überzeugen wir dann, wenn wir als Vorbilder authentisch sind: Wenn wir sagen, was wir denken; und wenn wir tun, was wir sagen. Diese Vorbildfunktion lässt sich anhand einer Reihe von Prinzipien festmachen, die eine Kultur nachhaltig beeinflussen:

  • Wenn wir Lernenden Lernen beibringen wollen, müssen wir selbst als Lernende erkennbar werden. Lehren und Lernen sind zwei Seiten einer Münze, keine sich ausschließenden Rollen.
  • Wenn wir Denken lehren wollen, müssen wir unser eigenes Denken sichtbar machen - das schließt ein, dass unsere Planung unsere Beweggründe sichtbar werden und Reflexion wie auch Kritik zugänglich gemacht werden müssen.
  • Als Lehrende sollten wir Rahmen und Unterstützung nur soweit zur Verfügung stellen wie unbedingt notwendig: Alles Lehren ist als Ziel auf das selbständige Lernen und Denken der anderen ausgerichtet.
  • Lernen (und Lehren) schließt notwendig praktische Umsetzung und Reflexion auf den Erfolg der beabsichtigten Wirkung ein: Jeder Lehr- (Lern-)Plan kann falsch sein, und es muss die Möglichkeit geben, dieses Falsche zu erkennen und zu korrigieren. (Fehler zu machen ist dem Lehrberuf inhärent.)
  • Im Lehren und Lernen spiegeln wir einander. Das Bereichernde dieser Beziehung muss tief in der Schulkultur verankert werden.

Gelegenheiten

Innerhalb von Cultures of Thinking gehen wir davon aus, dass Motivation und Fähigkeit wichtige, aber nicht hinreichende Bedingungen für Denken und Lernen sind. Darüber hinaus ist es auch essenziell, die Gelegenheiten zu erkennen, wenn etwas gelernt werden kann. Diese Gelegenheiten zu erkennen setzt Offenheit und Neugier für Neues voraus, die Fähigkeit, noch Unbekanntes oder gerade erst Bekanntes mit den eigenen Wirklichkeiten in Beziehung zu setzen. Diese Haltung Neuem gegenüber zu entwickeln ist eine der schwersten Aufgaben im Unterrichten. Einige Ansätze, die Lernenden helfen, diese Haltung zu entwickeln:

  • Gängige Erklärungsmuster, Fächergrenzen, etablierte Wahrheiten so oft wie möglich aufbrechen, hinterfragen, zur Disposition stellen: die Fähigkeit zu subversivem Denken bereitet den Boden, Neues zu erkennen
  • Wann immer etwas gelehrt und gelernt werden soll, muss sich ein (zumindest theoretischer Bezug) zur Lebenswirklichkeit der Lernenden herstellen lassen; nur so entwickelt sich die Motivation, Gelegenheiten zu erkennen zu und wahrzunehmen.
  • Lehren und Lernen muss kreativ sein, die Möglichkeit beinhalten, dass die Lernenden das Gelernte auf ihre ganz persönliche Weise weiterentwickeln können: Lernen muss immer ins Offene ausgerichtet sein, weil der Bereich dessen, was noch nicht gewusst ist, den des Gewussten in jedem Moment bei Weitem übersteigt.
  • Lernende beginnen dann, Gelegenheiten für Lernen zu erkennen und zu nutzen, wenn sie die Erfahrung machen, dass diese Gelegenheiten zum Lernen einen Unterschied, einen Mehrwert in ihrem eigenen Leben produzieren; diese Erfahrung muss immer wieder geplant und bereitgestellt werden.

Gewohnheiten

Gewohnheiten beziehen sich vor allem auf die Unterrichtsmethoden, die Cultures of Thinking eng mit Visible Thinking verknüpfen. Durch diese werden in der Lernumgebung des Klassenzimmers Denkroutinen etabliert, die durch den immer wiederkehrenden Gebrauch Gewohnheiten und Dispositionen der Lernenden ausbilden.

Interaktion

Auf dieser Ebene wird Kultur dadurch beeinflusst, dass Beziehungen in den Blick genommen und kritisch reflektiert werden: die Beziehungen zwischen Lehrenden und Lernenden, zwischen den Lernenden untereinander, aber auch zwischen den Lehrenden untereinander. Wichtigstes Prinzip ist, dass es keine künstliche Trennung geben darf: Die Standards und Erwartungen, die für Lernende gelten, müssen in gleichem Maß und Umfang auch für Lehrende gelten. Im einzelnen lässt sich das an folgenden Punkten nachvollziehen:

  • Lernende müssen immer wieder ermutigt werden - Lernen ist eine Aktivität voller Rückschläge und Enttäuschungen. Dieser Prozess muss nicht nur empathisch begleitet werden - es empfiehlt sich, dass sich der Lehrende selbst immmer wieder diesem Prozess aussetzt.
  • Diskussionen müssen so angelegt und geplant werden, dass sie ein klassisches Frage-Antwort-Schema durchbrechen: Denken und Lernen geschieht dort, wo Lernende gemeinsam auf ihren Erkenntnissen aufbauen, der Lehrende zurücktreten kann.
  • Denken und Lernen ist zuallererst ein demokratischer Prozess: Er blüht dort, wo Denken zwischen Gleichgesinnten ohne Machtdifferenzen verwirklicht wird - diesen Zustand gilt es für Lehrende herzustellen.
  • Rollenwechsel und Rollenübernahme können wirkmächtige Werkzeuge in der Veränderung von Kulturen sein: Sie ermöglichen es, neue Sichtweisen, andere Blickwinkel zunächst spielerisch einzunehmen, um so auch schrittweise die eigene Selbstwahrnehmung zu verändern.
  • Gegenseitiges Fragen soll ergebnisoffen sein und Neugier und Interesse an dem ausdrücken, was noch nicht vorher gewusst werden kann. Das lässt sich üben und beeinflusst eine Denkkultur nachhaltig.
  • Ziel all dieser Ansätze ist es, den Diskurs in einer Lerngemeinschaft nachhaltig zu verändern; an der Veränderung des Diskurses erkennt man die Veränderung der Kultur.

Umgebung

Alle zuvor aufgeführten Ebenen hinterlassen Spuren in der Lernumgebung, da ein wesentliches Ziel von Cultures of Thinking darin besteht, Denken sichtbar zu machen: An der Lernumgebung lässt sich ablesen, wie erfolgreich, wie aktuell, wie nachhaltig die Kultur einer Klasse oder einer Schulgemeinschaft eine Denkkultur ist:

  • Räume, in denen Denken stattfindet, sollen zum Denken einladen. Man soll sich in ihnen wohlfühlen, da echtes Denken sich nur in einer sicheren und geborgenen Umgebung entfalten kann.
  • Räume, in denen Denken stattfindet, müssen weiterhin so gestaltet werden, dass das dort stattfindende Denken einen Ausdruck finden kann: Wenn der Lernende diesen Raum betritt, muss sie/er auf einen Blick nachvollziehen können, wie die Denkreise bis zu diesem Moment verlief.
  • Gelegenheit zum Denken, Gewohnheiten für Denken müssen so organisiert und konzipiert werden, dass sie einen Niederschlag in der Umgebung finden; im Idealfall geht dieses Gestalten der Umgebung weit über den Kreis der aktuell Lernenden hinaus, so dass auch andere Mitglieder der Gemeinschaft am Lernen teilnehmen können.